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Aus: Die Fackel, Nr.34, Wien Anfang März 1900, Karl Kraus: Halbasiatisches

Aus den Geheimnissen des finanziellen Lebens in Galizien hat man im letzten Jahre Einiges in Erfahrung gebracht. Schlachziz und Jude, Jude und Schlachziz beuten das unglückliche Land aus. Und da die Vertreter der galizischen Schlachta und der galizischen Judenschaft in unserem Parlament eine so gefährliche Macht besitzen, hat die Öffentlichkeit im Westen der Monarchie das Bedürfnis, immer tiefer in jenes östliche Dunkel hineinzublicken. ... Heute veröffentliche ich Bruchstücke aus zwei Jahresberichten eines jüdischen Creditinstitutes. Unter dem Titel von Creditinstituten wird in Galizien der Wucher organisiert. Und damit diese Berichte nicht bloß der Belehrung, sondern auch der Erheiterung dienen mögen, lasse ich Orthographie und Interpunction unverändert. Wenn aber die scurrile Art, mit der in diesen Berichten nationalökonomische Kniffligkeiten und classische Reminiszenzen vorgetragen werden, den Leser zum Lachen bringen sollte, so mag der Gedanke ihn wieder ernst stimmen, dass die geschilderten Vorgänge unter den Augen einer staatlichen Aufsichtsbehörde sich abspielen, die niemals dabei ihre Hände rührt. Zumindest nicht, um einzugreifen.

 

Rechenschaftsbericht

der

Commerziellen & Industriellen Credit - Bank

reg. Genossenschaft m. beschr. H. in Nadworna

für das Jahr 1897.

Vorgetragen bei der VII. ordentl. Generalversammlung am 1. Februar 1898.

 

Hochgeehrte Generalversammlung!

"Allen anderen voran theilen wir Ihnen mit, dass unser Directionsmitglied H. Leisor Meisels am 20. October 1897 hingeschieden ist und dass wir auf dem Ausdrucke 'de mortuis nil nisi bene, et sit illi terra levis' diese Kundgebung schliessen."

"In merito weil wir der Thatsache gegenüberstehen, haben wir hervorzuheben, dass der Verblichene die Interessen unseres Instituts obzwar früher in dankbarer Erinnerung verbleibende Verdienste um die Genossenschaft sich erwarb, in letzterer Zeit durch Eigennutz untergraben hat, so pflegte er für seinen Sohn einen Cassiergehalt auf ganz ungerechtfertigter Weise beziehen, denn die Cassierstelle soll ungezahlt ein Directionsmitglied besorgen, was überhaupt bei allen anderen Nachbargenossenschaften üblich ist, ferner vergrösserte er die diversen Spesen in schleuderhafter Weise, verrechnete für seine eigenen Spareinlagen einen unverhältnismäßig hohen Zinsfuss hat Gelder zur Unzeit und nicht in vorgeschriebener Form behoben und auf ähnliche Weise wieder eingebracht, verdrängte günstigeren Einlagen dritter Personen um die seinigen bemerkbar zu machen, handelte bei den Creditertheilungen eigendünkelnd, hörte nicht die sonst entscheidende Stimme der anderen Direktionsmitglieder, was unsere Genossenschaft in ihrem Wirken beeinträchtigte, indem derselbe eine Position usurpierend, behauptete, die speciell seinen Händen nicht gehörte."

"All dessen hätte sich der Selbstherrscher bewusst sein sollen wobei er manches zum Muster hätte nehmen können u. wenn er eben wahrhaft gentil handelte rechtzeitig die Stimme der Competenz hörte u. nicht als Roman behandelte, würde er es für seine Pflicht gehalten haben zu Gunsten der Genossenschaft von eigener Ambition etwas von alten zur Gewohnheit gewordenen Emolumente zu opfern u. nicht auf's Schlepptau alles mitzunehmen. Wenn aber der Herr, welcher jahrelang an der vollen Schüssel sass u. nicht allzubescheiden aus ihr ass, sich aus dem Staube machte wenn ihm klargelegt wurde, dass es so nicht weiter gehen kann u. dass es vielleicht infolge seiner 'Operation' dem Unternehmen an den Hals gehe, echauffirte das u. mit Drohungen bezahlte dann sollte es endlich auch im Gesetze nach nicht vielen Recherchen gefunden werden, dass ihm dazu zwänge u. z. klipp und präcise ohne scharfsinnige juristische Auslegekunst den Schaden von eigenem Vermögen gutzumachen. Wir hoffen kurzwegs gesagt, dass auf eine gute Legislative gar bald auch eine moralische Execution folgt."

"Diese Vorgänge da der Verblichene körperlich schwer krank war, ihm um's Heil der Genossenschaft nicht zu thun war, waren im stetigen Zunehmen und wie ein römischer Gelehrte sagte 'quisquis präsumitur bonus, donec probetur contrarium' (Bei Jedem setzt man voraus, dass er gut sei, so lange das Gegenteil nicht bewiesen ist) liessen sich die Folgen nicht früher sehen, bis es sich wie ein Krebsschaden im Innern der Genossenschaft nicht eingefressen hat, erst im Juni 1897 stellte sich unser amtirende Director Herr Bodnar diesem Gebahren mit der Devise 'Qui suo jure utitur, nemini facit injuriam' auf seine Fahne, entgegen verlangte die Entlassung des Cassiers, des Practicanten, die Reduktion der Zinsen für eigene Einlagen des Verblichenen, die Verringerung der Einlagen selbst, die Feststellung eines Maximums für bestimmte Spesen und gelang es ihm unter Subconsequenzen bei Einhaltung des im Volksmunde bei den Römern zur Zeit Caesars gebräuchlich gewordenen Wortes 'Sustine et abstine' den Cassirer zu entbehren und dies zu ertragen, Assistenz dem Buchhalter an."

" - - und wenn wir sogar den Mitgliedern die Haut über die Ohren zögen, musste es wie Butter an der Sonne schmelzen, wenn die colossalen Ausgaben einrissen und alles absorbierten. Bei Aufrechterhaltung der Manipulation a lá oder allah Meisels mussten wir mit einem Defizite schliessen, dagegen allein Bodnar gab nächsten Anstoss zur Fortentwicklung und zufriedene Resultate." - -

" - - Hauptsächlich Sympathiegewinnung füllt selbstredend die Lücken unserer Ausführungen als gerechtfertigt aus." - -

"Es gereicht uns zur besonderen Befriedigung Ihnen die erfreuliche Mitteilung zu machen, dass es uns zu Beginn des Jahres gelungen ist, für unsere Genossenschaft eine reiche Aquisition zu machen, nämlich der ehrwürdige Rabbiner Hr. Koppel Brenner Herrschaftsbesitzer in Halmi, Ungarn, Gutshaus und Mahlmühlenbesitzer in Stanislau trat unserer Genossenschaft als Mitglied bei, zahlte 1000 fl. Als Antheil ein, verstärkte bei Bedarf mit seinem Giro unsere zum Escompte bestimmten Rimessen, was die grösseren Landesinstitute derart honoriren, dass uns in reichem Masse und gegen billige Zinsen Gelder zufliessen und uns wieder in den Stand setzt den Zinssatz gegenüber den Mitgliedern zu reduziren."

"Wir empfehlen Ihnen geehrte Herren, an Stelle des Verblichenen - Herrn Rabbiner Koppel Brenner als Director zu wählen, und wird hierdurch das dem Institute gebührende Zutrauen sich stärken. Die hervorragende Thätigkeit, unermüdliche Thatkraft und die eminenten Geistesgaben, welche diesem Manne auszeichnen sind allgemein gekannt und gewürdigt, indem Sr. Ehrwürden Herr Rabbiner Brenner nebst seiner clericalen Capazität in der Finanz- und Handelswelt als rutinirt u. 'le destirte' nominirt wird, wir können uns zu dieser Acquisition beglückwünschen und auf bedeutenden Aufschwung u. Prosperität rechnen. Er, Herr Rabbiner Brenner hat unseren Feinden und milzsüchtigen Nichgönnern, die zwecks Discreditierungen unserer Genossenschaft und unsern Director Herrn Bodnar angriffen, ihr Handwerk gelegt, die überheben sich zu weiteren Ataques, sie sind gelähmt, leugnen ihr Vorhandensein wie es die Weisen meinten 'Pergama defendi si potuissent hac dextra defensa fuissenti'".

"Diese wunderthätige Vereinigung kluger zögernder Vorsicht und vorwärts strebender Thatkraft der wir die heutige achtunggebietende Stellung unseres renommirten Institutes verdanken und von welcher wir für die Zukunft eine noch glänzendere Entfaltung desselben erwarten, ist keine willkürliche Construction grauer Theorie. Sie ist aus der Schmiede der Erfahrung gekommen und in Zeitenwetter erprobt! Die Krone der Zusammenschweissung gebürt unseren Leiter Director Hr. Bodnar als Acquisiteur zwischen der Genossenschaft Brenner, er hält davon dass durch Zusammenfügen kranker Elemente nie ein gesundes ganzes gebildet wird, und preferirte ein Naturganzes und Gesundes."

"Wir geben sie denselben gerne und rufen ihm ein Bravo - ausdruck dass er die kranken Elemente die sich in unserer Leitung hereinschleichen wollten, amputirte, zu." - -

" - - unsere Debitoren sind im Abnehmen, unwahrscheinliche Forderungen längst abgeschrieben und müssen wir hier gestehen, dass wir uns selbst reprobiren müssen als Lauigkeit bezeichnen, dass unsere Debitoren bis nun nicht eingingen, bei einiger Rührigkeit müsste Alles am Manne gebracht werden, was auf einem abhanden gekommenen Debitorenbuche das bald durch ein Neues ersetzt ist Motive findet, nachdem sämmtliche Forderungen complett sichergestellt sind, jedoch werden wir auf unseren Grundsätzen sitzen bleiben und Energie benützen die die Einbringung verwirklichen wird." - -

 

Für das Jahr 1898.

Vorgetragen bei der VIII. Ordentlichen Generalversammlung am 28. März 1899

 

Geehrte Herren!

- - "Was bisher uns schadete das belehrte uns (Quae nocent, docent) und wird ein Bollwerk des festesten Vertrauens als eine starke Säule unbegrenzter Bestimmtheit werden." - -

"Anlangend auf die gegenwärtige Lage der Genossenschaften im Allgemeinen, wollen wir einige Beobachtungen auf's Tapet ziehen und sei es uns gegönnt, dass diese wahrheitsgetreue Ausführungen warme Aufnahme finden u. z. Cliquessen, Cameraderie (vanitas vanitatum) Ehrgeiz bringen heillose Gründungen neuer Genossenschaften, aus diesen entsteht Fäulniss, Coruptionen und die älteren besser geleiteten Institute werden solidarisch behandelt und verschrien, jene suchen Credite wie Wüsten - Israel um die Manna, was die älteren untergräbt, jene wollen per aspera ad astra und die Herren drüben urtheilen qualis rex talis grex, jene lassen sich zu höchst eigenthümlichen indirecten Creditertheilungen durch mysteriöse u. monströse Vermittlungen - wegen Haschung um Mitglieder herbei, was die Aelteren ohne sich des Lachens zu enthalten (risum teneatis amici) nicht zusehen können, und über unser sachverständigen Ausspruch der für Fachmänner kein Evangelium sein dürfte, dürfte doch keine Anklage gegen sämmtliche Institute ohne Unterschied ob alt oder jung geschmiedet werden, und finden sich doch immer und immer wieder Leute die aus Indolenz momentanen Leichtsinn auf die Bahn dieses Lasters sich dazu locken lassen."

"Nichtswürdig ist der Mann der nicht sein Alles setzt an seine Ehre, wenn auch Alles vergilbt und verblasst. Gewiss wir sind wahrhaftig die Letzten die es verschweigen möchten - sind die Zustände nicht derart mit dem man sich unumwunden einverstanden erklären konnte. Wir glauben: Ueberall muss ausgebaut und verbessert werden auf der einen Seite muss Genusssucht, Habgier ein Halt geboten werden - auf der anderen Seite muss Begehrlichkeit Ehrgeiz & Cotterie eingedämmt bleiben."

"Das Ausbauen, das Ausbessern erreichen wir nicht durch neue Gründungen und Zusammenschweissungen von dunklen Cameraderien, diese Zergliederung bewegte uns nicht die Furcht vor einem Umkippen der Commerciellen oder industriellen Conjunctur sondern ein rein banktechnisches Moment dessen Nichtbeachtung anderen derbe Schläge brachte und vielleicht Lieder von ihrem bevorstehenden Capitulieren bereits singen oder zu verfassen nachsinnen, selbst der kleine Mann diese kindliche Seele die für gruselige Geschichten sonst so krankhaft empfänglich ist, versteht das Ammenmärchen der Bankraben, aber das geringe schwimmende Material ist bald verschwunden."

"Auf die Spareinlage kommend: Es ist die alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu, vielleicht jetzt noch schlechter, junge Kräfte, neue Unterbietungen, das wir auf den Vorjahren auf hohen Zinssatz, unhaltbare Vorzugsgewährungen, gegenseitigen Herabsetzung - wiederholen wir auch jetzt, hoffentlich wie die Raupen hin sind kommt die Zeit Votum in die Wagschale zu legen diesem Gebrechen abzuhelfen, wir wiederstehen dieser Strömung wetterfest und haben bei Gewärung von minderen Beneficien doch die höchste Einlagziffer, sind aber froh zu treffen einen grossen Theil der Einlagen abzustossen was ausser den obangeführten Gründen noch aus den nachfolgenden Causen zu bewerkstelligen ist."

"Erst in den letzten Wochen waren zwei Landesinstitute einem Run ausgesetzt, glücklicherweise übernam für eines das Land und für's andere die Magnaten des Landes die volle Garantie die diese vor Untergang geschützt. Wenn wir aber ein Misstrauen dieses Charakters gegen einem Provinzinstitute in Parallel ziehen, dann bleibt uns nicht mehr übrig als dessen gewissen Untergang auszudrücken. Hier läge die Gefahr selbst bei der löblichsten Lage niederzugehen bei den Umständen als in den letzten Tagen nutzsüchtige Anstalten Verwaltungsbeamte in Glacehandschuhen ¹) ihre Institute - den Topf aus welchem sie ihr Hunger stillten, die Schüssel die sie sättete, den Boden der sie nährt - hintergraben wollten indem sie ihre Naivität wenigstens dabei zu Tage brachten, wenn sie zur Unzeit Rückzahlung ihrer eigenen Einlagen verlangten beziehungsweise bei größeren Cassabeständen keine Stimme von Bedürfniss dagegen bei abnormer Geldknappheit erst lebendig wurden und Gelddurst laut hören liessen. Diese Indolenz fand zu Hause Abwehr und Männer aus dem Verwaltungskreise dieser Compagnie denen Succurs von allen Seiten herbeieilte naturgemäss deren Sympathie eine erhabene ist, sagten dem Teufel: Du bist der Teufel wenn auch in Glacehandschuhen warfen ihm sein Opfer in's Gesicht und die von ihm kaum angefangene Auslage war in seinem Schneckenhäuschen zurück." - -

"Etwas weniger wäre mehr! Sagte ein Gelehrte der Neuzeit nach den jüngsten Vorfällen, folge jeden Prinzip 'Bereichere dich, wens möglich auf anständige Art, wenn nicht - anders' und wenn wir die organisatorischen Mängel der Neugründler nicht kennen sollten, dann würden wir uns in Bekrittlungen nicht einlassen." - -

"Wir sollten die Rechtsnehmer des gotts. Meisels wegen Schadenersatz klagen, wir wollten gütlich ordnen, da aber die Haltung derselben die Abwartung scheiterte sind wir nun gezwungen, das unliebsame zu tun den der Schaden ist ein grösserer und deren Pflicht zum Ersatz über allen Zweifel wir wollen ihre Zustimmung zur Klagserhebung, obschon wir gefragt haben und ist dieselbe angesichts dessen, dass Klagserhebung gegen den Aufsichtsrath von Ihnen zu bevollmächtigen ist überhaupt gegen Erben von Verwaltungsorganen überhoben dennoch machen wir hievon Erwähnung und notiren hier sogar einige Details: Der gotts. Verwalter lieh 512 Fl. Ehrendarleihen (?) an Josef Bochdan, liess einen nicht zu diesem Zweck der Bank übergebenen Wechsel auszustellen, deckte hiemeit diese 215 Fl., welche dann er abschreiben liess, er lieh an Friedferdig & Söhne grössere Summen und noch vielen anderen trotz deren fruchtlose Executionsbeleg von mehreren Gläubigern u. trotz ausdrücklicher Einwendung des leit. Directors u. ungeachtet statuarischer Bestimmung der zufolge es in seinem alleinigen Wirkungskreise nicht lag, er bezog für seine Kinder ungebührliche Gehalte und höhere Zinsen als regulativ bestimmt war u. a. m."

"Er behob auch für sich einen ihm nicht gebührlichen Gehalt. Einen kleinen Ersatz fanden wir in Compensation seines Anteiles de 1000 Fl. und Gehaltsrest wozu wir statuarisches Recht hatten."

"Auf die Lage unserer Genossenschaft kommend, ist diese eine lobenswerte - derselben schadete nicht im Mindestens die durchwegs von unseren Nichgönnern erteilten falschen und discreditierenden Auskünfte, trotzdem wir an ausländischen Credit nichts gewinnen konnten, während der inländische zumeist aus Racenhasse uns gleich allen anderen die den Stempel der sogenannten jüd. Gesellschaft tragen versagt wurde, sie stand und steht wetterfest, auch der hohe bislang nicht erhöhte Zinssatz konnte diese nicht erstürmen die löblichen Auskunftgeber zumeist ungehobelte, rohe geldgierige Speculanten u. par interesse fechsten den Lohn ihrer Saat selbst ein, werden miteinander gleich diesem vorbenannten Verwaltungsmanne ¹) der durch Kündigung seiner eigenen Gelder der Genossenschaft weh tun wollte - dazu aber krummbeinig ist, auf den schlüpfrigen Parquetten unserer gut situirten Genossenschaft Nacken brechen. 

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¹) Diese Stellen beziehen sich auf den im letzten Jahre in die Verwaltung cooptierten Rabbiner Koppel Brenner, die "clericale Capazität". Anm. D. Herausgeb.